Agilität innerhalb von Unternehmen: Ein Widerspruch?

Warum es so schwer ist, innerhalb von Unternehmen agil zu sein.

Agilität ist das neue Credo in den Unternehmen. Gefühlt spricht die ganze Welt davon. In einer Fachzeitschrift für Management konnte ich letztens 5 Beiträge über unterschiedliche Facetten des gleichen Themas in einer einzigen Ausgabe zählen. Ein bestimmter Aspekt fehlte mir jedoch in dem ganzen Hype. Und darüber schreibe ich jetzt hier:

Laut Prof. Dr. Oliver Bendel von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) verbirgt sich hinter dem Begriff der Agilität die „Gewandtheit, Wendigkeit oder Beweglichkeit von Organisationen und Personen bzw. in Strukturen und Prozessen“. Dabei geht es hauptsächlich darum, möglichst flexibel (und schnell, Anm. des Verfassers) auf unvorhergesehene Ereignisse und neue Anforderungen zu reagieren.

Es scheint jedoch, als ob diese gewünschte Anforderung an Unternehmenslenker und Führungskräfte nur schwer zu entwickeln, gar schwer zu leben sei? Was steckt dahinter, dass wir innerhalb von Unternehmen meist weit von der „Leichtigkeit“ der Agilität entfernt sind und den Eindruck haben, notwendige Anpassungen (Veränderungen) kommen – wenn überhaupt – nur schwer in Gang?

Natürlich ist die Fähigkeit zur Agilität eng verbunden mit dem jeweiligen persönlichen Potenzial. Um agil sein zu können, brauche ich einerseits die Fähigkeit, Situationen zu analysieren und andererseits ein Wissen um die Auswirkungen einzelner Maßnahmen in digitalisierten, vernetzten Organisationen.

Meist sind es darüber hinaus jedoch auch Gründe in den Organisationen selbst, die die Entscheider erst gar nicht „agil“ werden lassen:

Innerhalb von Unternehmen gibt es das sogenannte Tagesgeschäft, die Anforderungen im Minutentakt und die E-Mail Flut, von der wir uns „in den Griff“ nehmen lassen. Im höheren Management die internen Macht- und Prestigekämpfe, verbunden mit den kulturellen Verhaltensmustern der Anpassung. Für die Fachexperten das Großraumbüro mit den damit verbundenen Geräuschen und der Ohnmacht, sich nicht zum DENKEN zurückziehen zu können.

All diese Rahmenbedingungen kosten Kraft und wertvolle Ressource. Ressource, die nicht zur Verfügung steht, um auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren oder das Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen …

In erster Linie bedeutet Agilität eben „ Am Unternehmen„ und nicht „Im Unternehmen“ zu arbeiten. Aber wann tue ich genau das und unter welchen Voraussetzungen gelingt mir das am besten?

Eben meistens außerhalb meines Unternehmens.
Ein Freund von mir, Geschäftsführer eines internetgetriebenen Touristikunternehmens, ist einen Großteil seiner Zeit außerhalb seines Unternehmens tätig. Er reist viel, holt sich Ideen und Inspirationen, trifft Partner, geht auf Messen, entdeckt neue Destinationen, ist in Verbindung mit dem Marktgeschehen. Sein Management zu Hause stöhnt, vermisst ihn und ist immer mal wieder genervt, dass aufgrund mangelnder Präsenz manche Entscheidung nicht schnell genug getroffen wird.

Aber: Genau dieser Geschäftsführer hat in zwei Jahren in zwei marktbedingten Krisen für sein Unternehmen die benötigte Lösung punktgenau auf den Tisch gelegt hat. Er konnte wahrscheinlich (auch) deshalb tun, weil er „frei“ unterwegs war. Er saß Stunden im Flieger und reflektierte ungestört – vielleicht ohne dass es ein bewusster Prozess war – die Themen der Stunde.

Es geht uns – ob bewusst oder unbewusst – doch genau so. Kreativ, flexibel und somit agil sind wir doch woanders. Am Wochenende bei der Lektüre eines Buches oder beim Waldspaziergang, abends beim Wein, wenn wir dem Partner oder der Partnerin in Ruhe, am Stück und ohne Unterbrechung von einem Thema erzählen und dabei selber darüber nachdenken. Die wichtigsten strategischen Entscheidungen und die besten Produktideen habe ich während eines Kurzurlaubs, den ich alleine in einem Hotel ohne Handy und Internet verbringe. Ich bin förmlich gezwungen, in die Ruhe zu kommen und beim Spaziergang im Wald springen die Ideen förmlich aus mir heraus. Ich schaue „von außen“ auf das Unternehmen und habe den „kreativen Funken“.

Wenn es also so viel leichter zu sein scheint, außerhalb von Unternehmen agil zu sein, in welche Richtung müssen wir unsere Organisationen dann weiterentwickeln?